Was haben James Dean, Elvis Presley, Klaus Kinski, Romy Schneider, Michael Jackson River Phoenix, Amy Winehouse und Heath Ledger gemeinsam? Alle waren Superstars – und in diesem Status irgendwann so isoliert, dass sie daran zerbrachen. Die gängige psychologische Erklärung lautet, dass Ruhm und Verehrung zu solcher Überforderung führen. Eine psychoanalytische Lesart besagt hingegen, dass narzisstische Borderline-Störungen von vornherein in einer Persönlichkeit angelegt sein müssen, um den Status des ganz Außergewöhnlichen im Geschäft von Pop und Film überhaupt zu erreichen.
Welche der beiden Theorien im konkreten Fall zutrifft, lässt sich sehr gut an dem familiären Porträt nachvollziehen, das Amy Berg von Janis Joplin (1943-1970) gefertigt hat. Joplin wuchs in Port Arthur in Texas auf, das sie mit 18 erstmals verließ, um ihr Glück als Sängerin in San Francisco zu versuchen. Zuvor war sie, das pummelige Mädchen mit einer zu großen Nase und unreiner Haut, auf der Highschool nicht eben freundlich behandelt worden. Gipfel der Schmähungen war später die Wahl zum “hässlichsten Mann der Universität” in Austin. Doch selbst in Kalifornien hielt es Janis nicht lange aus, obwohl sich bald Erfolge einstellten, allerdings auch Erfahrungen mit harten Drogen. Von ehemaligen Wegbegleitern und von der Familie wird das Bild einer empathischen, ihrem Schicksal allzusehr ausgelieferten jungen Frau gezeichnet, manchmal etwas vereinfacht: “Sie fühlte den Blues. Sie konnte jedermann Schmerz fühlen. Deshalb nahm sie Heroin. Damit sie nicht mit jedermanns Leben konfrontiert wurde.”
Auf der anderen Seite lassen Freunde, Bandmitglieder und Geschwister, die Berg ausführlich zu Wort kommen lässt, eine ziemlich klare Tendenz vom “verletzlichen Narzissten”, wie es in der Fachsprache heißt, zum “toxischen Narzissten” erkennen: der die Extravaganz übertreibt und im konkreten Fall die “Vergiftung” gegen sich selbst wendet. Das heißt: an Erfolg, an Whiskey, an Drogen und an Männern konnte nie genug Masse vorhanden sein, um die ganze Sehnsucht Joplins zu stillen. Darauf weisen die wiederkehrenden Bahngleise hin, die wohl für die Unbehaustheit der Porträtierten stehen sollen, das machen aber vor allem die anrührenden Briefe an die Familie deutlich, die Joplin nie aufhörte zu schreiben. Hier öffnet sich das “Little Girl Blue”, das traurige Mädchen, beinahe hemmungslos. Die beeindruckenden Statements der Schwester Laura Joplin lassen den Verdacht aufkommen, dass Janis von ihren Eltern nie auch nur die kleinste Chance bekam, als das erfolgreiche “Kind” in einem verdächtigen Milieu akzeptiert zu werden.
Was geholfen hätte – die “Abspaltung” der professionellen Seite der Sängerin und die Versöhnung mit Familie, Schule und Heimat – wird deutlich in den Gesprächen mit Dick Cavett, dem erfolgreichen Late Night-Talkmaster. Hier, im öffentlichen Dialog mit einem Freund, zeigt sich, wer Janis Joplin wohl eigentlich war:
Eine kritisch-abwägende, offene, emotionale Frau, die außerdem Rock und Blues sang wie keine andere. Man glaubt es nicht, aber im Oktober jährt sich ihr Todestag zum 50. Mal. Das Porträt hält sie unter uns.