FILMTIPP #12: JANIS: LITTLE GIRL BLUE VON AMY BERG (USA 2015). AMAZON PRIME.

Quelle: Spiegel

Was haben James Dean, Elvis Presley, Klaus Kinski, Romy Schneider, Michael Jackson River Phoenix, Amy Winehouse und Heath Ledger gemeinsam? Alle waren Super­stars – und in diesem Status irgend­wann so isoliert, dass sie daran zerbrachen. Die gän­gi­ge psychologische Erklärung lautet, dass Ruhm und Verehrung zu solcher Überforde­rung führen. Eine psy­choanalytische Lesart besagt hingegen, dass narzisstische Bor­der­line-Stö­run­gen von vornherein in einer Persönlichkeit angelegt sein müssen, um den Sta­tus des ganz Außergewöhn­lichen im Geschäft von Pop und Film überhaupt zu erreichen.

Welche der beiden Theorien im konkreten Fall zutrifft, lässt sich sehr gut an dem fa­mi­liären Porträt nachvollziehen, das Amy Berg von Janis Joplin (1943-1970) gefertigt hat. Joplin wuchs in Port Arthur in Texas auf, das sie mit 18 erstmals verließ, um ihr Glück als Sängerin in San Francisco zu versuchen. Zuvor war sie, das pummelige Mäd­chen mit einer zu großen Nase und unreiner Haut, auf der Highschool nicht eben freund­lich be­han­delt worden. Gipfel der Schmähungen war später die Wahl zum “hässlichsten Mann der Universität” in Austin. Doch selbst in Kalifornien hielt es Janis nicht lange aus, ob­wohl sich bald Erfolge einstellten, allerdings auch Erfahrungen mit harten Drogen. Von ehema­ligen Wegbeglei­tern und von der Familie wird das Bild einer empa­thischen, ihrem Schicksal allzusehr ausgelieferten jungen Frau gezeich­net, manchmal etwas vereinfacht: “Sie fühlte den Blues. Sie konn­te jedermann Schmerz fühlen. Des­halb nahm sie Heroin. Damit sie nicht mit jedermanns Leben konfrontiert wurde.”

Auf der anderen Seite lassen Freunde, Bandmitglieder und Geschwister, die Berg aus­führlich zu Wort kommen lässt, eine ziemlich klare Tendenz vom “verletzlichen Nar­ziss­ten”, wie es in der Fachsprache heißt, zum “toxischen Narzissten” erkennen: der die Ex­tra­vaganz übertreibt und im konkreten Fall die “Vergiftung” gegen sich selbst wendet. Das heißt: an Erfolg, an Whiskey, an Drogen und an Männern konnte nie genug Masse vor­han­den sein, um die ganze Sehnsucht Joplins zu stillen. Darauf weisen die wiederkeh­ren­den Bahngleise hin, die wohl für die Unbehaustheit der Porträtierten stehen sollen, das machen aber vor allem die anrührenden Briefe an die Familie deutlich, die Joplin nie auf­hörte zu schreiben. Hier öffnet sich das “Little Girl Blue”, das traurige Mädchen, bei­nahe hem­mungslos. Die beeindruckenden Statements der Schwester Laura Joplin lassen den Ver­dacht aufkommen, dass Janis von ihren Eltern nie auch nur die kleinste Chance bekam, als das er­folg­reiche “Kind” in einem verdächtigen Milieu akzeptiert zu werden.

Was geholfen hätte – die “Abspaltung” der professionellen Seite der Sängerin und die Versöhnung mit Familie, Schule und Heimat – wird deutlich in den Gesprä­chen mit Dick Cavett, dem erfolgreichen Late Night-Talkmaster. Hier, im öffentlichen Dialog mit ei­nem Freund, zeigt sich, wer Janis Joplin wohl eigentlich war:

Eine kritisch-ab­wä­gen­de, offene, emotionale Frau, die außerdem Rock und Blues sang wie keine andere. Man glaubt es nicht, aber im Oktober jährt sich ihr Todestag zum 50. Mal. Das Porträt hält sie unter uns.

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