FILMTIPP #24: THE MACHINIST VON BRAD ANDERSON (SPANIEN 2004). AUF DVD UND (GEGEN AUFPREIS) ZU STREAMEN.

Bildquelle: news.at

Die Generalprobe im Stadion am Blumengarten ist uns gelungen. Daher pla­nen wir Freunde Ingelheimer Filmkultur in diesem schwierigen Jahr derzeit zwei weitere Veranstaltungen, das hochpoetische Drama Körper und Seele aus Ungarn und, passend zur US-Präsidentenwahl, die amerikanische Polit­satire Vice. Darin spielt der phänomenale Sam Rockwell den, vorsichtig ge­sagt, sub­optima­l agierenden US-Präsidenten George W. Bush jr., und Chri­stian Ba­le, unkenntlich hinter einer aufwendigen Maske, dessen Berater und eben “Vi­ze” Dick Che­ney, der im Verborgenen die Zügel der Macht innehielt und die ame­rika­ni­sche Politik um den 11. September herum zu den tollsten Kap­rio­len trieb. Ein Schelm, wer denkt, das Ganze sei eine Anspielung auf die der­zei­ti­ge presidency.

Schon in The Big Short (2015) nahm die Truppe um den Regisseur Adam McKay und Steve Carrell eine Säule des US-Establishments satirisch aus­ein­ander, damals ergänzt um Ryan Gosling und Brad Pitt. Film ist nicht zuletzt ein Wandler von Ideen. Wollte man diese Funktion der Kunst exemplarisch an einer Schau­spie­ler­person festmachen, käme man an Christian Bale kaum vorbei. Der 1974 in Wales geborene Akteur setzt alles ein, um eine Rolle buch­stäb­lich zu ver­körpern. In Vice ist er der gedrungen-rund­liche Che­ney, ein Wolf im Schafs­pelz und dem Film nach der gefährlichste Vize­präsi­dent, den die US-Geschichte kennt. Bale agiert äußerlich in der Tradition des Me­thod Acting, die unter anderem einige spektakuläre Gewichtszunahmen ver­zeich­net, so die legendäre Wandlung von Robert de Niro in Raging Bull (1980). Natürlich geht es auch um Psychologie, Inside-Jokes, Offenlegung.

Mit The Machinist ging Bale ins andere Extrem: Wie etwas spä­ter für das wenig bekannte, gleichwohl bedeutende Vietnam-Drama Rescue Dawn (2007, von Werner Herzog) nahm er spektakulär ab. Für Machinist sol­len es um die 30 Kilo gewesen sein; Bale besteht hier tatsächlich nur aus Haut und Kno­chen. Er spielt den Fabrikarbeiter Reznik, der Schuld auf sich geladen hat, die für uns am Ende in leicht enttäuschender Weise aufgelöst wird.

Die Story handelt vom “Maschinisten”, der nicht schlafen kann, der an sei­nem Arbeitsplatz Mist baut, den ein brutales, zynisches Alter Ego verfolgt, der eine Beziehung zu einer Prostituierten hat und mit einer alleiner­zie­henden Mutter ausgeht. Deren Sohn hat eine Schlüsselrolle in dem Psy­cho­dra­ma in­ne. Mit dem Kind über­nimmt Reznik auf dem Rummelplatz eine Gei­ster­bahn­fahrt, im Film vier Mi­nu­ten lang, auf der die Figuren und Motive des ge­samten Films in billiger Schauer­mechanik quasi als ‘Schulstunde des Ho­r­rors’ zusammen gefasst sind. Plaka­tiv wählt der Junge am Eingang nicht das Tor mit der Auf­schrift “Road to Salvation”, sondern den “Highway to Hell”.

Und eine wahre Hölle ist es, in die wir hier sehen: Übrigens nicht Los An­ge­les, son­dern ein ausgeblichenes Barcelona. Die Produktion in Europa war billiger. Wenn Franz Kafka je einen Film geschrieben hätte, wäre es wohl dieser gewesen, schreibt mein Lieblings-Filmstenograph Leonard Mal­tin. Und wieder einmal ist es nicht die Story, die erschreckt, son­dern der Look des Films, genauer: das wandelnde Skelett, über dessen Perspektive wir die hier er­scheinende, kaputte Welt mit wahrnehmen. Und weil wir bei den Größen der Weltliteratur sind, möchte ich mit einem Zitat aus “Der Idiot” von Dosto­jewski schließen, dem Buch, das nebenbei in der Wohnung des Maschi­nisten herumliegt: “Irgendetwas, das man vielleicht ganz unbewusst, ganz von selbst sieht, das sich aber schwer analysieren oder in Worten aus­drücken lässt, und das, wenn man es auch tausendmal nicht begründen kann, dennoch einen vollkommen in sich abgeschlossenen und unwiderstehlichen Eindruck macht, der ganz unwillkürlich zur vollen Überzeugung auswächst.”

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