FILMTIPP #29: THE NIGHT OF THE HUNTER VON CHARLES LAUGHTON (USA 1955). AUF DVD.

Bildquelle: visitmonaco.com

In diesem Sommer war im Museum Rolandseck, im nördlichsten Zipfel von Rheinland-Pfalz, ein Ausstellung über Hans Arp und Salvador Dalí zu sehen. Hier konnte man verstehen, wie amerikanische und europäi­sche Kunst nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs aufeinander trafen. Und wie ein cle­verer Innovator wie Dalí aus beiden Kulturen das Beste zusam­men­brach­te, aus dem europäischen Surrealismus die Koalition von künst­le­risch-technischer Innovation und Psychoanalyse des Publikums; und nach­her, im selbst gesuchten amerikanischen Exil, der gezielte Aufbau der Mar­ke Dalí und deren Verkauf an jeden, der dafür zahlen wollte und konnte.

Auf diesem Umweg und nach diesem Modell ist nicht zuletzt das Kino zu verstehen. Hier die Erfinder und Neuerer, dort ein gutgläubiges Publikum, das sich gern führen lässt, und dazwischen eben die Maschinerie des Marktes. In ver­kleinertem Maß funktioniert das Modell auch mit ein paar Briten, die in Hollywood und mit der amerika­ni­schen Art des Filme­ma­chens groß her­auskamen: Chaplin, Stan Laurel, Hitchcock und nicht zuletzt auch Charles Laughton mit dem einzigen und einzigartigen Film, den der erfolgreiche Schauspie­ler als Regis­seur ver­antwortete. The Night of the Hunter war Mitte der fünfziger Jahre verständlicherweise kein Kas­senerfolg. Heute gilt er als Klassiker. Wenn man mich nach einem Beispiel für surrea­li­stisches Kino fragen würde, wäre die Antwort dieser Film.

Die Geschichte ist, vor allem anderen, ein Psychogramm einer so bigotten wie ma­ni­pulierbaren Gesellschaft, die sich hier einem falschen Prediger an den Hals wirft, um ihn, als er sich als Psychopath und Frauenmörder ent­puppt, genauso frenetisch an den Galgen zu liefern. Robert Mitchum ver­leiht der Rolle wahrlich unheimlichen Glanz. Übersehen wird dabei gern, dass Laugh­tons Blick die Bewohner des Ohio-Deltas ähnlich schon­ungs­los über­zeich­net. Allein die Geschwister John und Pearl stellen in Aus­sicht, dass es in dieser Welt so etwas wie die Erlösung der Seele geben könnte.

Nach dem Anfang als Kriminaldrama gleitet der Film in eine Sphäre, in der alle Erwachsenen ihr Tun permanent metaphysisch vor sich selbst recht­fertigen. Der Schäbigste von allen, der selbsternannte Priester, hat es ganz offen auch auf Geld abgesehen. Doch nur der kleine John weiss, wo die Beute aus dem letzten Raub­überfall seines Vaters versteckt ist. Mit sei­nem Geheim­nis verteidigt er nicht zuletzt die Würde seiner Familie. So­bald Kinder in diesem Film den Status der Unschuld verlassen, droht ihnen das Schicksal, so ver­füh­re­risch und korrupt zu werden wie alle anderen.

Daher ist die Sequenz, in der die schlafenden Kinder in einem Boot – oder bildhafter: in einem Nachen – ohne Steuerung den Fluss hinuntertreiben, dabei beobachtet nur von Spinnen, Kaninchen und riesigen Fröschen, in gewissem Sinne auch die ehrlichste. Das Kino lädt uns in einem fort ein, die Welt wieder naiv wahrzunehmen, oder anders, alle außerfilmischen Be­züge erst einmal wegzulassen und uns ganz den Bildern und Tönen in ihrer eigenen Logik zu überlassen, eben so, wie Kinder sich die Welt aneignen.
Da gibt es zwar auch ab und an einen bösen Reiter auf einem Schim­mel, aber irgendwie bleibt er fern, reitet doch immer nur am Horizont einher.

In dieser Art der Betrachtung passt die Heldin der letzten halben Stunde, eine alleinlebende Frau, die wie eine gute Fee Waisenkinder bei sich auf­nimmt, auch John und Pearl, und sie mit wenig Mitteln und viel Herz, und, wenn es sein muss, auch mit dem Gewehr verteidigt. Lillian Gish, Stumm­film­schön­heit und Diva bei D.W. Griffith, ließ sich von Laughton zu einem Come­back überreden und verhilft dem Geschehen im letzten Drittel uner­wartet doch noch zu einem warmen und humanen Glanz.

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