Warum Dunkirk sehen

Christopher Nolan ist ohne Zweifel einer der bestimmenden Filmmacher der 2000er Jahre. Memento (2002) war sein erster Erfolg, eine rückwärts ablaufende Kriminalgeschichte, die einen Mann ohne Gedächtnis in ihren Mittelpunkt stellte. Inception (2010) mit Leonardo di Caprio ist ein weiterer Film, der Massstäbe gesetzt hat, eine Sci-Fi-Spionagegeschichte, wieder höchst raffiniert und unzuverlässig erzählt. Beide Filme haben ihre glühendesten Fans unter Zeitgenossen, die mit diesen Filmen selbst groß geworden sind. Dazwischen bediente Nolan ein außerordentlich breites Publikum mit seinen Verfilmungen des klassischen Comics „Batman“. Er überzeugte dabei auch die anspruchsvolle Kritik insbesondere mit The Dark Knight Rises (2013) mit über eine Milliarde Dollar Einspielergebnis. Auf diese Weise ermöglicht sich Nolan Projekte wie den subtilen, seltsam melancholischen Sci-Fi-Film Interstellar. Der Soundtrack stammte, wie fast immer in den letzten Jahren, von dem in Frankfurt am Main geborenen Hollywood-Sound-Star Hans Zimmer. Das Team Nolan / Zimmer wirkte auch für Dunkirk zusammen; Zimmer erhielt dafür wieder einmal, und völlig zu Recht, einen Oscar – seinen zehnten, wenn ich richtig zähle. Das Erlebnis von Dunkirk macht das Gesamtpaket aus, in einer Komposition von drei voneinander unabhängigen Erzählsträngen, die meist abrupt ineinander übergehen und doch gemeinsam vielerlei widersprüchliche Emotionen freisetzen, Grauen und Mitleid, Bewunderung und Angst, Abscheu und sogar Glück. Das klassisch-heroische Gesicht des Kriegsfilms hat sich nun eindeutig und endgültig gewandelt. Der Ver­gleichs­film zu Dunkirk wäre im übrigen nicht der heldenvereh­rende The Darkest Hour über Winston Churchill, sondern Mrs. Miniver von 1942; von der gleichen Intensität und Humanität inspiriert, endet auch dieser Film mit der Freisetzung der eingekesselten britischen Truppen von Dünkirchen. Die Ereignisse von Dünkirchen haben in England nationale Bedeutung. Was man darüber hinaus am Vergleich von altem und neuem Film noch sehen kann: Digitale Filmtechnik kann, richtig eingesetzt, zum absoluten Segen werden. Dem Kino stehen weitere große Zeiten bevor. TM

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert